Am gestrigen 13.12.2014 verkehrte letztmalig der Schnellzug „Vindobona“ zwischen Deutschland, der Tschechischen Repubik und Österreich. Anlass genug, um auf die nicht weniger als 57-jährige Geschichte dieses bekannten Zuglaufes zurück zu blicken:
Ende 1956 beantragte die Deutsche Reichsbahn (DR) bei der europäischen Fahrplankonferenz eine „schnelle Tagesverbindung von Berlin über Praha nach Wien“ - die dann mit Fahrplanwechsel im Juni 1957 als TS 55/54 auch tatsächlich eingeführt wurde. Auf Wunsch der Österreichischen Bundesbahnen verkehrte die neue Schnelltriebwagenverbindung unter dem Namen „Vindobona“.
In Österreich nahm der Zug seinen Ausgang in Wien FJB, verkehrte auf der Franz-Josefs-Bahn bis zum Grenzübergang Gmünd NÖ/České Velenice, in der damaligen Tschechoslowakei dann über Prag weiter bis zum Grenzübergang Bad Schandau/DěčÃn, um über Dresden schließlich Berlin Ostbahnhof zu erreichen.
Die beteiligten Bahnverwaltungen ČSD, DR und ÖBB vereinbarten von Anfang an den Einsatz von Dieseltriebwagen, wobei die drei Bahnverwaltungen alternierend für die Triebwagenstellung verantwortlich zeichneten. Der Turnus wurde entsprechend des anfallenden Laufweges pro Bahnverwaltung errechnet.
So kamen in den ersten drei Fahrplanperioden Triebwagen der DR zum Einsatz (Bauart Köln bzw. Leipzig, zum Teil auch Bauart Hamburg), 1960 übernahm dann die ČSD mit ihren Triebwagen M495 bzw. M498 die Triebwagenstellung. Ab 1962 kamen dann mit dem „Blauen Blitz“ erstmals österreichische Triebwagen zum Einsatz. 1964 übernahm wieder die ČSD, 1966 kamen dann erstmals die für den „Vindobona“ typischen Schnelltriebwagen SVT 18.16 (spätere Reihe 175) der DR zum Einsatz. 1969 hätten dann wieder die ÖBB für die Fahrzeugstellung verantwortlich sein sollen. Mangels wirklich geeigneter Triebwagen - die Reihe 5145 war aufgrund der erforderlichen Zwischenwagen auf mehreren Streckenabschnitten motorisch überfordert und bereits in die Jahre gekommen - übernahm jedoch die ČSD mit ihren modernen M296.1 die Fahrzeugstellung. Ab 1972 kam dann schließlich wieder bis 1979 die Schnelltriebwagen VT 175 der Bauart „Görlitz“ der Deutschen Reichsbahn zum Einsatz. Aufgrund der Umbauarbeiten in Wien FJB wurde dann ab Fahrplanwechsel im Juni 1975 der Zuglauf vorübergehend in den Bahnhof Wien Landstraße (bzw. in weiterer Folge als Wien Mitte bezeichnet) abgeändert.
Da der Einsatz der deutschen Triebwagen in weiterer Folge von den ÖBB und auch ČSD mangels Ausgleichsmöglichkeit finanziell abgeglichen werden musste, wurde auf Druck dieser beiden Bahnverwaltungen der Zug ab Fahrplanwechsel 1979 auf „Lok und Klassen“ umgestellt. Die Wagenstellung erfolgte in unterschiedlichen Varianten, jedoch zumeist gemischt aus allen drei beteiligten Ländern. Die Traktion des Zuges erfolgte in den jeweiligen Ländern jeweils mit Diesellokomotiven. Sensationell war dabei die anfängliche Bespannung im Grenzabschnitt České Velenice - Gmünd NÖ mit der dort planmäßig eingesetzten Dampflokomotive der ČSD-Reihe 556.
CSD M298.0005, Gmünd NÖ (FJB), 29.12.1973
Ersatzgarnitur ab Gmünd NÖ. Im österreichischen Abschnitt verkehrte an diesem Tag ersatzweise eine Garnitur bespannt mit der 2050.02.
DR 175.017, Gmünd NÖ (FJB), 27.11.1976
DR 175.015, Wien Franz Josefs Bahnhof (FJB), 10.1976
DR 175.019, Hoheneich (FJB), 29.03.1993
(anlässlich einer Nostalgiesonderfahrt)
Ab dem Sommerfahrplan 1992 wurde - auch als eine Folge der politischen Wende in den ehemaligen Ostblockstaaten, die dem Zugpaar und dem gesamten Reiseverkehr in der Relation einen enormen Aufschwung brachte - der Zug in den neu entstandenen Taktfahrplan zwischen Deutschland und Tschechien eingebunden und ab Praha über Brno und Břeclav nach Wien Südbahnhof (Ostseite) geführt. Dadurch war es nun möglich, den Zug durchgehend mit elektrischen Triebfahrzeugen zu bespannen. Ab dem Fahrplanwechsel am 28.5.2000 verkehrte der Zug sogar über Berlin hinaus weiter nach Hamburg Altona.
Durch die Auflassung des Wiener Südbahnhofes veränderte sich der Laufweg ab 13.12.2009 ein letztes Mal - das Zugpaar wurde von nun an durch Wien über die Südbahn bis/ab Villach Hbf. durchgebunden.
Die Bespannung im österreichischen Abschnitt war zuletzt - nach den Baureihen 1146, 1063, 1014 und 1116 - von der Reihe 1216 geprägt. Der beginnenden Einsatz der CD-Railjet - und den dadurch abzuändernden Lokumlauf - bescherte dem EC172/173 ab 1. September 2014 für nur etwas mehr als 3 Monate einen Triebfahrzeugdurchlauf der CD-Reihe 380 über die weltbekannte Semmeringbahn bis Villach Hauptbahnhof. Zu dieser Zeit trug der EC172/173 nurmehr in Tschechien den bekannten Namen „Vindobona“, die DB und ÖBB haben auf den Zugnamen bereits seit Jahren verzichtet. Dennoch hielt sich die Bezeichnung „Vindobona“ nachwievor im Sprachgebrauch.
Mit dem Fahrplan 2014/15 wurde nun der gesamte Schnellzugsverkehr zwischen Prag und Österreich auf Railjet-Verbindungen umgestellt - der bisherige „Vindobona“ passt nicht mehr in das neue Fahrplangefüge. Als „Nachfolger“ für das eingestellte Zugpaar verkehrt in vergleichbarer Lage der „neue“ EC172/173 „Porta Bohemica“ zwischen Budapest Keleti pu. und Hamburg Altona.
1014.003 + 1014.008, EC30172, Wien Südbahnhof (Südbahn), 31.07.1995
Umleitung über Floridsdorf - Wien Matzleinsdorf - Wien Süd anlässlich der Ostbahnbrückensperre im Sommer 1995.
1063.004, EC172, Strasshof (Nordbahn), 14.08.2001
1014.010, EC173, Deutsch Wagram (Nordbahn), 18.06.2004
2016.033, EC30172, Marchegg (StEG), 15.04.2006
Umleitung über Marchegg wegen Nordbahnsperre durch Marrchhochwasser.
1014.002, EC173, Helmahof (Nordbahn), 20.06.2006
1116.049, EC172, Helmahof (Nordbahn), 20.04.2008
1216.234, EC173, Tallesbrunn (Nordbahn), 02.08.2009
1216.234, EC172, Sankt Egyden (Südbahn), 17.08.2014
CD 380.016, EC172, Breitenstein (Semmering), 19.10.2014
Wegen Lokführerstreik in Deutschland kam an diesem Tag eine tschechische Ersatzgarnitur zum Einsatz.
CD 380.017, EC172, Breitenstein (Semmering), 02.11.2014
Galerie-Bilder von CD 380.017:
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